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Auf dem Weg in den Überwachungsstaat? Harald Ebner und GRÜNEN-Landesvorsitzender Daniel Mouratidis spazieren „überwacht“ durch Schwäbisch Hall

Schwäbisch Hall.
An zahlreichen Stationen in der Haller Innenstadt machten der Landesvorsitzende der baden-württembergischen GRÜNEN, Daniel Mouratidis, und der hiesige Kreisvorsitzende und Bundestagskandidat Harald Ebner auf aktuelle und geplante Entwicklungen in der digitalen Datenwelt aufmerksam, die den Rechtsstaat und die individuellen Freiheitsrechte mehr und mehr aushöhlen und gefährden. Unterstützt wurden sie dabei von Frank Hansen, Gründungsstifter der Stiftung „bridge - ‚Bürgerrechte in der digitalen Gesellschaft", der seit langem auf gefährliche Tendenzen im Umgang mit persönlichen Daten hinweist und deshalb Bewegungen wie „bridge" unterstützt bzw. ins Leben gerufen hat. Nicht dabei sein konnte zu seinem Bedauern der kürzlich mit dem Literaturpreis der Stadt Schwäbisch Hall ausgezeichnete Autor Ilja Tojanow, der in diesem Jahr ein Buch mit dem Titel „Angriff auf die Freiheit" verfasst hat. „Ich stehe voll und ganz hinter dem, was Sie da mit Ihrer Aktion bewirken wollen" so der Comburg-Stipendiat, der durch andere Termine verhindert war. Schon mit einem einfachen Handy-Telefonat geben die Menschen eine Unmenge Daten von sich preis: sobald das Handy eingeschaltet ist, weiß der Mobilfunkbetreiber, wo sich die Person aufhält, da das Telefon sich in die mobile Funkzelle einbucht. Und er speichert, wer mit wem wann und wie lange telefoniert oder eine SMS verschickt - praktisch also jeden Schritt - dann
sechs Monate lang. Hierdurch können Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche und private Kontakte rekonstruiert oder Freundschaftsbeziehungen nachvollzogen werden. Da half auch nicht die „schäuble-freie Zone", die die GRÜNEN zuvor per Absperrband vor dem GRÜNEN Kreisbüro markiert hatten, denn die Mobilfunkwellen machen auch hier nicht Halt.

Auch im email-Verkehr im Internet greift die Vorratsdatenspeicherung, so Mouratidis bei der nächsten Station, einem Internet-Café. „Das ist ein gravierender Eingriff in die Privatsphäre jedes Einzelnen", erläuterte Mouratidis. Mit der Datenspeicherung ohne jegliches Verdachtsmoment wandle sich der Rechtsstaat in einen Präventionsstaat. Durch die Anhäufung von Daten, könne gegen jede und jeden schon bei minimalen Verdachtsmomenten ermittelt werden. Diese Umkehrung des Unschuldsvermutungsprinzips stelle ein Charakteristikum eines totalitären Staatssystems dar. Frank Hansen bewertet die Vorratsdatenspeicherung sogar als einen Schritt in den Überwachungsstaat.
Vor einer Arztpraxis sprachen die „Überwachungsspaziergänger" mit Passanten über Risiken und Nutzen der elektronischen Gesundheitskarte. Einerseits könne sie bei integrierten Versorgungsketten hilfreich sein, andererseits werde ein vollkommen „gläserner" Patient erreicht, ohne dass ein hinreichender Datenschutz gegeben sei. Am Rathaus waren die biometrischen Daten im neuen Reisepass und die im Flugreiseverkehr übermittelten Daten über die Fluggäste Stein des Anstoßes. „Allzu schnell gerät man als völlig unbescholtener Bürger ins Visier der Ermittler" so Mouratidis. Bestes Beispiel sei der jetzige Bundesvorsitzende der GRÜNEN, Cem Özdemir, der sogar als Mitglied des Europäischen Parlaments zwei Stunden am Flughafen in New York festgehalten worden sei, weil er drei Eigenschaften erfüllte, die den US-Terrorfahndern schon genügten: er ist Moslem, Vegetarier und hat einen deutschen Pass.

Auch an weiteren Stationen wiesen Ebner und seine Begleiter auf weitere Gefahren hin: Videoüberwachung an Parkplätzen in der Innenstadt, Payback-Karten im Supermarkt, Datenchips an den Waren im Regal: Stück für Stück ergänzt sich das digitale Mosaik einer ungeheuren Fülle an persönlichen Daten, die über jede einzelne und jeden einzelnen angelegt werden. „Bislang musste man verdächtig sein, bevor ermittelt werden konnte, heute ist jeder schon im Vorfeld verdächtig, so das Resumé von Mouratidis am Ende des Spaziergangs. „Dieser ungeheure Verlust unserer Bürgerrechte geschieht im Stillen, nahezu unbemerkt von der Gesellschaft", ergänzte Ebner, „aber wer die Freiheit opfert, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren".

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